Mit dem Urteil vom 18. Dezember 2025 hat das Amtsgericht Freiburg einen gefährlichen Präzedenzfall geschaffen. Ein Schüler wird zu Sozialstunden verurteilt, weil er ein satirisches Meme veröffentlicht hat, das die Militarisierung von Schulen kritisiert. Nicht Gewalt, nicht Hetze, nicht Aufruf zu Straftaten – sondern politische Satire. Dieses Urteil ist kein Betriebsunfall der Justiz, es ist Ausdruck eines autoritären Zeitgeistes, der Kritik nicht mehr aushält, wenn sie staatliche Macht trifft.

Was hier verurteilt wurde, ist nicht ein Meme. Verurteilt wurde selbstständiges Denken. Verurteilt wurde politischer Protest. Verurteilt wurde der Anspruch junger Menschen, staatliche Institutionen zu hinterfragen – insbesondere dann, wenn diese mit Uniform, Waffen und geopolitischen Drohkulissen in Klassenzimmern auftreten. Dass ausgerechnet Schulen, also Orte, an denen Kritikfähigkeit, Urteilskraft und demokratische Mündigkeit gelehrt werden sollen, zum Einfallstor staatlicher Einschüchterung werden, ist der eigentliche Skandal dieses Verfahrens.

Der Ablauf des Falls ist entlarvend. Ein Jugendoffizier tritt an einem Freiburger Gymnasium auf, eingebettet in einen engen Austausch mit der Schulleitung. Protest wird im Vorfeld unterbunden, Schüler werden eingeschüchtert, mit Schulverweisen bedroht, ihre politische Betätigung delegitimiert. Nach der Veröffentlichung eines Memes wird nicht etwa diskutiert, sondern ermittelt. Staatsschutz, Datenauswertung, Einbindung der Familie, Weitergabe von Schülerdaten an die Bundeswehr – all das wegen eines Instagram-Posts, den kaum jemand gesehen hat. Das ist kein Rechtsstaat, der Maß hält. Das ist ein Staat, der nervös geworden ist.

Das Gericht folgt dieser Linie und erklärt, ein Offizier in Uniform sei „kein Politiker“, sondern ein Beamter, der „nicht in die Öffentlichkeit, sondern in ein Klassenzimmer“ komme. Diese Aussage ist entlarvend. Sie offenbart ein Demokratieverständnis, nach dem staatliche Macht zwar in Schulen auftreten darf, dort aber vor öffentlicher Kritik geschützt werden soll. Wer so argumentiert, erklärt das Klassenzimmer zur kritikfreien Zone – und damit zur ideologischen Schonfläche. Genau das widerspricht dem Bildungsauftrag und dem Grundgesetz.

Besonders perfide ist die Konstruktion, mit der Satire in persönliche Diffamierung umgedeutet wird. Der Bezug auf bekannte rechtsextreme Netzwerke in der Bundeswehr, auf Neonazis, verschwundene Waffen, auf belegte strukturelle Probleme, wird ignoriert. Stattdessen wird so getan, als habe ein Schüler einem Offizier persönlich Nähe zur SS unterstellt. Kontext, politische Aussage, satirische Zuspitzung – all das wird ausgeblendet. Artikel 5 Grundgesetz wird nicht geschützt, sondern auf sein Mindestmaß zusammengeschrumpft.

Hinzu kommt die pädagogische Arroganz, mit der Bentik im Prozess behandelt wurde. Fragen nach Abiturnoten, Wohnsituation, „jugendlichem Leichtsinn“. Der politische Protest eines jungen Menschen wird psychologisiert, infantilisiert, entwertet. Wer so argumentiert, sagt im Kern: Deine Kritik zählt nicht, weil du jung bist. Genau damit wird politische Mündigkeit systematisch untergraben.

Dieses Urteil sendet eine klare Botschaft: Kritik an der Bundeswehr ist erlaubt – solange sie folgenlos bleibt. Protest ist erlaubt – solange er nicht sichtbar wird. Meinungsfreiheit gilt – solange sie niemanden stört, der Macht ausübt. Das ist keine Demokratie, die sich verteidigt. Das ist eine Demokratie, die sich abschottet.

Ich halte fest: Wenn Gerichte beginnen, politische Satire von Schülern zu bestrafen, während staatliche Institutionen ungehindert in Schulen werben dürfen, dann ist die Neutralität des Bildungsraums aufgehoben. Wenn Schülerdaten an militärische Stellen weitergegeben werden, dann ist der Rechtsstaat beschädigt. Wenn Sozialstunden verhängt werden, um eine „gegnerische Haltung gegen den Staat“ zu korrigieren, dann sprechen wir nicht mehr über Recht, sondern über Disziplinierung.

Dieses Urteil wird nicht abschrecken. Es wird politisieren. Es wird vielen jungen Menschen erst deutlich machen, wie schmal der Grat der erlaubten Kritik geworden ist. Wer glaubt, mit Repression ließe sich antimilitaristischer Protest eindämmen, hat aus der Geschichte nichts gelernt.

Ich stelle mich ausdrücklich hinter Bentik. Nicht weil ich jedes Meme gut finden muss, sondern weil ich weiß: Eine Gesellschaft, die anfängt, ihre Jugend für Kritik zu bestrafen, hat ihre Zukunft bereits aufgegeben. Schulen dürfen keine Rekrutierungsräume und keine angstfreien Zonen für staatliche Macht sein. Sie müssen Orte bleiben, an denen Denken erlaubt ist – auch dann, wenn es unbequem wird.

Dieses Urteil ist ein Warnsignal. Wer jetzt schweigt, macht sich mitschuldig.

Adrian Kempf

Kirchzarten im Dreisamtal